Nachteilsausgleich für Blinde und Gehörlose auf dem Prüfstand
Blinden- und Sehbehinderten-Verband kritisiert Kürzungspläne - Gespräch mit Ministerpräsident Haseloff
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff empfing am Mittwoch Vertreter des Blinden- und Sehbehinderten-Verbandes Sachsen-Anhalt e.V. zu einem Meinungsaustausch in der Staatskanzlei. Anlass waren Medienberichte über die Pläne der Landesregierung, das Blinden- und Gehörlosengeld um fünf Millionen Euro zu kürzen. Das entspräche rund 35 % der bisherigen Leistungen.
Blinden- und Gehörlosengeld erhalten blinde, hochgradig sehbehinderte und gehörlose Menschen als Nachteilsausgleich für behinderungsbedingten Mehraufwand. Es soll ihnen ermöglichen, im Rahmen ihrer verbliebenen Fähigkeiten ein selbstbestimmtes Leben zu führen und am Leben der Gemeinschaft teilzunehmen.
Blindengeld wird in der Bundesrepublik auf Länderebene gewährt, wobei die Regelungen nach ihrer Höhe und dem einbezogenem Personenkreis von Land zu Land variieren.
Zunächst dankte die Verbandsvorsitzende Christel Pildner dem Ministerpräsidenten für sein Engagement für die Fortführung der Kurse in Blinden-Notenschrift in Wernigerode. Hier haben blinde Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland die Möglichkeit, Kenntnisse der Blinden-Notenschrift zu erlernen und gemeinsam zu musizieren.
Der Ministerpräsident hatte Erlöse aus einem Benefizkonzert für diesen Zweck zur Verfügung gestellt und die Einrichtung des Verbandes in Wernigerode anlässlich des laufenden Kurses besucht.
Ministerpräsident Haseloff verwies darauf, dass das Land bis 2019 jährlich ansteigend bis zu 1,5 Milliarden Euro einsparen müsse. Das Finanzministerium habe in seiner 40 Punkte umfassenden Liste mit Kürzungsvorschlägen alles zur Prüfung aufgenommen, bei dem Sachsen-Anhalt pro Kopf höhere Ausgaben hat als vergleichbare Länder.
Zu diesen statistischen Vergleichen seien die ostdeutschen Länder (außer Berlin), sowie Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz herangezogen worden.
Für das Blindengeld wurde vor allem das Land Brandenburg zum Vergleich betrachtet, wo die Leistung für blinde Menschen tatsächlich geringer ist.
Die Vertreter des Blinden- und Sehbehinderten-Verbandes wiesen dagegen darauf hin, dass Sachsen-Anhalt bereits jetzt im Bundesvergleich einen der hinteren Plätze in Bezug auf seine Nachteilsausgleiche für sinnesbehinderte Menschen einnimmt.
Da die Zahl der Betroffenen seit Jahren sinkt, sind die Ausgaben dafür innerhalb der vergangenen zehn Jahre um mehrere Millionen zurückgegangen.
Brandenburg gewährt zwar ein geringeres Blindengeld, was aus Sicht der Betroffenen kritisiert wird, Gehörlose erhalten dafür eine höhere Leistung und außerdem werden auch schwer körperbehinderte Menschen in das dortige Landespflegegeld einbezogen.
In Niedersachsen, Thüringen und Schleswig-Holstein hatten frühere, inzwischen abgewählte Landesregierungen Kürzungen brachial durchgesetzt. Die Betroffenen und ihre Verbände kämpfen dort darum, wieder ausreichende Nachteilsausgleiche zu gewähren. In Niedersachsen war dazu sogar ein Volksbegehren initiiert worden.
Haseloff versprach, die Hinweise und Einwände aus dem Blinden- und Sehbehinderten-Verband in die Prüfung einzubeziehen und bei der Haushaltsklausur der Regierung Ende Mai zu würdigen.
Der Verband werde einbezogen, wenn es um konkrete Gestaltungsvorschläge zum Blinden- und Gehörlosengeld geht.
Die Verbandsvorsitzende Christel Pildner lobte die konstruktive Diskussion und die sachliche Atmosphäre des Gespräches und forderte die Landesregierung auf, die Belange der Inklusion und der Teilhabe von Menschen mit Behinderungen im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention trotz der Haushaltsprobleme nicht zu gefährden. Bezogen auf den Gesamthaushalt des Landes liegen die Ausgaben für Blinden- und Gehörlosengeld im Promillebereich!
Hintergrund:
In Sachsen-Anhalt beziehen annähernd 7.000 blinde, hochgradig sehbehinderte und gehörlose Menschen Leistungen nach dem Blinden- und Gehörlosengeldgesetz (BliGG LSA).
Das Blindengeld beträgt derzeit 350 € im Monat, hochgradig sehbehinderte und Gehörlose erhalten 41 €.
Das Blindengeld wird allerdings deutlich gekürzt, wenn Betroffene Leistungen aus der Pflegeversicherung erhalten oder in stationären Einrichtungen leben. Kinder und Jugendliche erhalten maximal 250 €.
Zurzeit beziehen knapp 1.800 Betroffene ungekürztes Blindengeld, rund 1.650 erhalten es gekürzt.
Leistungsberechtigt sind ferner ca. 1.900 hochgradig Sehbehinderte und annähernd 1.400 Gehörlose.

Landesvorsitzende des BSVSA e.V. Christel Pildner