Rekordhaushalt und gekürztes Blindengeld

Blinden- und Sehbehinderten-Verband kritisiert Benachteiligung blinder und sehbehinderter Menschen in Sachsen-Anhalt

Der Vorstand des Blinden- und Sehbehinderten-Verbandes Sachsen-Anhalt e. V. (BSVSA) nahm bei seiner turnusmäßigen Sitzung am vergangenen Wochenende Stellung zur Haushalts- und Sozialpolitik des Landes, die blinde und sehbehinderte Menschen im Ländervergleich massiv benachteiligt.
Anlass war die Verabschiedung des Doppelhaushaltes 2017/2018 am 3. März 2017.

Die Vorsitzende des BSVSA, Christel Pildner, erklärte dazu:
"Wir sind sehr enttäuscht, dass sich die schwarz-rot-grüne Landesregierung und die sie tragende Koalition nicht dazu durchgerungen haben, die unsoziale Kürzung des Landesblindengeldes von 2013 zurückzunehmen und den betroffenen rund 3.000 blinden Menschen einen ausreichenden Nachteilsausgleich zu gewähren."

Sie kritisiert insbesondere, dass pflegebedürftige blinde Menschen, die in Pflegeheimen leben, weiterhin keinen Anspruch auf das Landesblindengeld haben sollen.
Dieses war 2013 für sie von der damaligen Regierung völlig gestrichen worden.
Stattdessen erhalten sie nur einen Minimalbetrag von 41 Euro im Monat, den das Land hochgradig Sehbehinderten und Gehörlosen gewährt.

"Wie will man den betroffenen behinderten Menschen erklären, dass die Kürzung von 2013 "alternativlos" gewesen sei, wenn man an den beschlossenen Rekordhaushalt denkt, an den enormen Haushaltsüberschuss von 2016 oder die zig Millionen, die die Landesregierung für Beraterverträge und Gutachten ausgibt?", fragt Pildner.

Sie verweist darauf, dass andere Bundesländer inzwischen deutliche Erhöhungen des dortigen Landesblindengeldes beschlossen oder angekündigt haben.
So steigt das Blindengeld in Brandenburg und Thüringen in mehreren Schritten an.
Auch der Freistaat Sachsen und das Land Niedersachsen erhöhen das Blindengeld.
Im Freistaat Bayern, wo das Blindengeld bei 579 Euro monatlich liegt, bekommen auch hochgradig Sehbehinderte künftig eine Leistung von 30 % dieses Blindengeldes, nicht nur 41 Euro wie in Sachsen-Anhalt.
Bayern will außerdem hochgradig Sehbehinderten mit gleichzeitiger Hörbeeinträchtigung 60 % des Blindengeldes gewähren. Taubblinde mit ihrem besonders hohen ständigen Hilfebedarf erhalten dort sogar das Blindengeld in doppelter Höhe!

"Wie in Sachsen-Anhalt regiere auch im Freistaat eine christliche Partei", meint Christel Pildner, "aber die hat auch noch ein "S" im Nahmen… ".
Es ist bitter für die Betroffenen und ihre Familien, dass Sachsen-Anhalt auf so vielen Gebieten deutsches Schlusslicht ist und jetzt auch beim Blindengeld weit hinten liegt! Die Lebens- und Teilhabechancen für Blinde und Sehbehinderte sind damit erheblich schlechter als in den anderen Bundesländern."

Der Vorstand des Verbandes fordert von der Landesregierung ein deutliches Umsteuern in der Sozial- und Behindertenpolitik.
"Die ist kein Ruhmesblatt für Sachsen-Anhalt", betont die Vorsitzende.

Hintergrund: 

Die Bundesländer gewähren seit den 50er Jahren blinden und häufig auch hochgradig sehbehinderten Menschen ein Blindengeld, das die behinderungsbedingten Mehraufwendungen ausgleichen und ihnen die Teilhabe am Leben ermöglichen soll.
Es dient der Finanzierung von Assistenz- und Unterstützungsleistungen aller Art, ermöglicht eine gewisse Mobilität und den Zugang zu Informationen sowie die Beschaffung der nötigen Hilfsmittel.
Die Höhe des Blindengeldes liegt in den Ländern zwischen ca. 300 und 681 Euro, in Sachsen-Anhalt derzeit bei 320 Euro.
In den alten Ländern ist es im Schnitt deutlich höher als im Osten Deutschlands. Doch selbst das arme Mecklenburg-Vorpommern gewährt Blinden monatlich 430 Euro und hochgradig Sehbehinderten 107 Euro.
Liegt gleichzeitig Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Sozialgesetzbuch vor, wird das Blindengeld allerdings deutlich gekürzt, auch für Kinder und Jugendliche.

2013 hatte die damalige schwarz-rote Landesregierung unter Ministerpräsident Reiner Haseloff eine "alternativlose", rigide Sparpolitik ausgerufen. Diese sollte vor allem die Hochschulen, die Kultur und die blinden Menschen treffen.
Das Blindengeld sollte zunächst um fast sieben Millionen Euro gekürzt werden, Pflegebedürftige in Heimen und hochgradig Sehbehinderte sollten keinerlei Unterstützung mehr bekommen.
Im parlamentarischen Verfahren gelang es nach massiven Protesten, die Kürzungen "abzumildern", so dass beim Blindengeld jährlich "nur" zwei Millionen Euro gespart wurden.
Dabei ist es bis heute geblieben, während die Belastung der Hochschulen und der Theater längst zurückgenommen wurde.
Die Regierungsparteien hatten dem Blinden- und Sehbehinderten-Verband signalisiert, sich für eine Rücknahme der Kürzungen einzusetzen. Das wurde aber bei den Haushaltsberatungen trotz der massiven Mehrausgaben in vielen Bereichen wieder verworfen.

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